Im Käfertaler Wald und den angrenzenden Stadtteilen steht das Barometer auf Sturm. Was seit 2012 immer wieder auf städtischer Ebene und in der Region diskutiert wird, bekommt jetzt konkrete Formen:
Mannheim plant, Vorrangflächen für Windenergieanlagen auszuweisen: nachdem Coleman vom Tisch ist nun im Naherholungsgebiet Käfertaler Wald.
So weit, so richtig. Und wenn das die ganze Geschichte wäre, könnte man den Unmut der Bevölkerung und die (dann berechtigte) Kritik an diesem Unterfangen in Richtung Stadtverwaltung und Gemeinderat verstehen. Aber es ist eben nicht die ganze Geschichte und die Mannheimer Kommunalpolitik ist der falsche Adressat.
Ich will hier nicht auf das Für und Wider der Energiewende eingehen – mir geht es heute nicht um das Ob sondern um das Wie. Und mir geht es auch nicht um die wissenschaftlichen Grundlagen für die in Baden-Württemberg geltenden Abstandsregelungen zu Windrädern, auch wenn ich mir an der einen oder anderen Stelle deutlich mehr Schutz von Mensch und Tier wünschen würde. Das alles würde den Rahmen sprengen. Ich will versuchen zu erläutern, warum wir diese Diskussion im windarmen Mannheim überhaupt führen.
Wer Mannheim und die Diskussion um die Frischluftzufuhr zur Innenstadt über den geplanten Grünzug Nordost kennt, wundert sich zurecht, wo plötzlich der Wind zur Gewinnung von Energie herkommen soll. Und in der Tat: der Windatlas bestätigt, dass Mannheim alles andere als geeignet ist für die Gewinnung dieser Form der erneuerbaren Energien.
Die Stadt Mannheim plant also keine Vorrangflächen für Windkraft, weil irgendjemand hervorragend geeignete Flächen für einen Windpark gefunden hätte, und auch nicht, weil sie Geld mit der Verpachtung städtischer Grundstücke oder über die MVV als potentiellen Windparkbetreiber verdienen will. Die Stadt Mannheim plant die Ausweisung dieser Flächen, weil sie es muss.
Aber von vorne:
Mannheim ist bei der Flächennutzungsplanung im Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim und in der Metropolregion Rhein-Neckar in die Regionalplanung einbezogen. Das bedeutet vereinfacht formuliert, dass die Flächenentwicklung für die gesamte Region betrachtet wird und nicht einfach jede Kommune munter Flächen versiegelt und Wohn- oder Gewerbegebiete ausweist, wie sie gerade meint es zu brauchen. Ein Bereich wird im einheitlichen Regionalplan jedoch ausgeklammert und getrennt betrachtet: die Windenergie. Sie wird zwar künftig auch für die gesamte Region ausgewiesen – geplant wird sie aber – zumindest in Baden-Württemberg – in einer dezentralen Betrachtung.
Ursache hierfür ist der Windenergieerlass des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahr 2012. Dieser regelt (vereinfacht ausgedrückt), dass jede einzelne Kommune künftig selbst Gebiete für Windenergieanlagen ausweisen muss, da sonst Anträge auf Errichtung solcher Anlagen für jede beliebige, theoretisch taugliche Fläche auf ihrem Gebiet möglich wären. Ausschlussgebiete für Windkraft sind in Baden-Württemberg künftig nicht mehr möglich – auch nicht z.B. für Landschaftsschutzgebiete wie den Käfertaler Wald oder die Bergstraße.
Anstatt sich auf Regionalebene oder gar für ganz Baden-Württemberg auf die wenigen tatsächlich “windhöffigen” und damit effizienten Standorte zu konzentrieren (es gibt sie tatsächlich, wenn auch nur vereinzelt), zwingt das Land jede Kommune, Flächen für Windenergie fest einzuplanen. Sonst läuft man Gefahr, dass Investoren sich auf eigene Faust einen Standort suchen. Dort müsste die Anlage dann genehmigt werden, sofern alle gesetzlichen Auflagen erfüllt sind.
Dass wir jetzt im Käfertaler Wald davon reden, Vorrangflächen auszuweisen, hat also nichts damit zu tun, dass dort eine Windenergieanlage besonders wirtschaftlich betrieben werden könnte. Ohne Subventionen würde hier wohl kein Windrad entstehen. Aber die Aussicht auf Subventionen macht, sofern die Windhöffigkeit für eine EEG-Förderung überhaupt ausreicht, Renditen selbst in windarmen Gegenden theoretisch denkbar. Investoren würden sich also möglicherweise finden – was daran allerdings ökologisch sein soll, mögen die Grünen im Landtag erklären, die gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD die dezentrale und unkoordinierte Planung gesetzlich geregelt haben.
Die grün-rote Landesregierung zwingt uns mit ihrem fragwürdigen Windenergieerlass, für diese zwar nicht effizienten aber vielleicht finanziell rentablen Windenergieanlagen Flächen auszuweisen. Sonst gehen wir das Risiko ein, dass Investoren sich Standorte aussuchen, die aus Mannheimer Sicht noch weniger wünschenswert sind.
Hätte die Windhöffigkeit in Mannheim an irgendeiner Stelle ein Ausmaß, das effiziente Windenergieanlagen zulässt, könnte man über das von mir zu Beginn erwähnte Pro und Contra Energiewende, über eine Abwägung der Interessen der Anwohner mit den Interessen der Allgemeinheit oder über Abstandsregelungen diskutieren. Und in zahlreichen Gesprächen und Bürgerversammlungen wird natürlich genau das auch thematisiert – in der vergangenen Woche bei der Siedlergemeinschaft Blumenau und in den nächsten Wochen und Monaten auch an anderer Stelle.
Aber die eigentliche Frage ist: Wenn der grün-rote Windenergieerlass im Endeffekt dazu führt, dass ohne Sinn und Verstand Flächen ausgewiesen werden und im Übrigen der Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg noch langsamer voranschreitet als in den Vorjahren unter einer CDU-geführten Landesregierung – warum ermöglicht man nicht einfach eine koordinierte Planung auf Regionalebene oder steuert auf Landesebene?
Dass sich aus dem wenigen vorhandenen Wind über dem Käfertaler Wald ein Sturm zusammenbraut, kann ich gut verstehen: Wer Windräder über das ganze Land sät, anstatt sie gezielt zu bauen, darf sich nicht wundern, wenn er Sturm erntet.