Ich bin Mitglied der CDU und ich bin Bildungspolitikerin. Und um gleich vorab mit den Vorurteilen aufzuräumen, die uns CDU-Bildungspolitikern immer gerne an den Kopf geworfen werden von wegen Heimchen am Herd und veraltetes Familienbild:
Ich bin berufstätig und habe eine Tochter. Ich habe nie Elternzeit genommen. Meine Tochter war von Anfang an in Ganztagsbetreuung. Und ich wäre froh gewesen, wenn ich in Wohnortnähe eine gebundene Ganztagsschule für sie gefunden hätte. Mit Müh und Not haben wir noch einen Hortplatz bekommen. Davor dachte ich wie viele andere Eltern, ich müsste kündigen, wenn meine Tochter eingeschult wird.
Ich weiß also, wovon ich rede. Ich kenne das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus eigener Erfahrung. Und ich weiß wie ärgerlich es ist, weit und breit keine Ganztagsschule vorzufinden, die man sich eigentlich für sein Kind wünschen würde.
Aber das ist mein persönlicher Lebensentwurf, mein individueller Bedarf, mein eigener Bildungs- und Betreuungswunsch für mein Kind. Das geht außer meiner Familie zunächst niemanden etwas an, und ich erwähne es hier nur deshalb, weil ich die Vorurteile über das CDU-Familienbild kenne. Es wird den einen oder anderen vielleicht wundern, aber: Ich bin in der CDU keine Ausnahme.
Warum ich persönlich gemeinsam mit meiner Fraktion das Modell der Mannheimer Stadtverwaltung für die künftigen Ganztags-Grundschulen in Mannheim ablehne, habe ich an anderer Stelle aufgeschrieben. Die gestrige Sitzung des Bildungsausschusses, in dem die Vorlage der Verwaltung erstmals behandelt wurde, und einige Reaktionen, die mich seither erreicht haben, sind aber auf jeden Fall ein paar Worte wert:
Im Bildungsausschuss selbst, dem Stadträtinnen und Stadträte angehören, hat die Verwaltungsvorlage keine Mehrheit gefunden. Das war im Vorfeld abzusehen und es ist zwar relativ selten aber erstmal gar nicht so entscheidend – die Mehrheitsverhältnisse in Ausschüssen geben nur verzerrt die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat wieder. Wir könnten es als Etappensieg verkaufen obwohl wir genau wissen, dass dieser Patt im Gemeinderat erstmal ohne Bedeutung ist. Dort dürfte die Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken mit der Stimme des Oberbürgermeisters sicher sein.
Ganz anders sieht es aus meiner Sicht aber beim Blick auf das ebenfalls nur empfehlende Votum des Schulbeirats aus. Und beim Blick darauf, wie die Fraktionen (und übrigens auch Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz) damit umgehen.
Der Schulbeirat – und dort insbesondere die Elternvertreter – teilen viele der von CDU, Mannheimer Liste und FDP geäußerten Kritikpunkte in Bezug auf die starren Vorgaben der Verwaltungsvorlage. Ohne Not werden die vielfältigen Möglichkeiten, die das Schulgesetz Ganztagsschulen bietet, für Mannheim auf nur ein Modell reduziert. Wahlfreiheit der Schulgemeinschaft aus den Möglichkeiten des Schulgesetzes? Fehlanzeige! Mitsprache der Eltern bei der Wahl des Zeitumfangs der Ganztagsschule? Folglich auch Fehlanzeige! Die Vertreter des Gesamtelternbeirats haben diese Bedenken gestern engagiert, stichhaltig – und vor allem mit Verweis auf die Anhörungen im Vorfeld der Ganztagsschulgesetzgebung und mit Verweis auf entsprechende Äußerungen von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) – vorgebracht.
Der Schulbeirat hat den Vorschlag der Verwaltung bei der Abstimmung klar abgelehnt. Aber die Eltern scheinen ersten Reaktionen nach zu urteilen weder bei der Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Dr. Kurz (SPD) und Bildungsdezernentin Dr. Ulrike Freundlieb (SPD) noch bei SPD, Grünen und Linken Gehör gefunden zu haben.
Wenn eine SPD-Vertreterin jetzt öffentlich äußert, das Votum des Schulbeirats sei nicht ausschlaggebend, weil die dort engagierten Eltern nicht diejenigen seien, die von einer so radikalen Veränderung profitieren würden, dann macht mich das wütend: Es unterstellt nämlich den sehr engagierten ElternvertreterInnen, nur anhand der eigenen Betroffenheit zu agieren. Es ist vor allem dann spannend wenn man bedenkt, dass kurz davor von der gleichen SPD-Vertreterin noch die eigene potentielle Betroffenheit als Grund für das Bedauern über das Votum herangezogen wurde. Schließt da jemand von sich auf andere?
Es gibt viele gute Gründe, warum es in Deutschland im Gegensatz z.B. zu Frankreich keine Ganztagstradition an den Schulen gibt. Auch das habe ich an anderer Stelle aufgeschrieben. Das wird sich mit der Zeit ändern. Aber es darf nicht durch Quasi-Zwang und Pseudo-Wahlmöglichkeit verändert werden sondern muss sich im Austausch mit den Eltern und mit Blick auf ihre sich ändernden Bedürfnisse am einzelnen Schulstandort entwickeln können. Und es muss im Dialog mit den zahlreichen Vereinen und Verbänden geschehen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Sie dürfen ebensowenig wie die Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wenn uns etwas an dem ausgeprägten ehrenamtlichen Engagement gelegen ist, das es bisher gibt. Es geht hier um Menschen und um ihr Privatleben. Und ich sehe meine Rolle als Politikerin nicht darin, den Umbruch zu forcieren sondern darin, den Wandel zu ermöglichen.
Ich habe aus gutem Grund meine eigene Situation an den Anfang meiner Ausführungen gestellt. Ich bin berufstätig und war schon immer auf Ganztagsbetreuung angewiesen. Ich hätte mir für meine Tochter eine gebundene Ganztagsschule gewünscht, weil ich die Rhythmisierung für sinnvoller halte als die Kombination aus Halbtagsschule und Hort. Aber ich setze mich beim Thema Ganztagsgrundschulen in Mannheim trotzdem in erster Linie dafür ein, dass den Eltern mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und Betreuungsbedarfen ein Angebot gemacht wird – und sie nicht bei ihrer persönlichen Lebensplanung bevormundet werden.
Ich mache die eigene Betroffenheit nicht zur Richtschnur meines politischen Handelns.
1 thought on “Angebot oder Bevormundung? Das Ganztags-Modell der Mannheimer Stadtverwaltung”
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