“Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes mit.” So steht es in Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Im Parteiengesetz wird das in § 2 Absatz 1 noch etwas ausführlicher formuliert: “Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen […]”
Und an dieser Stelle muss man gleich mal mit einem weit verbreiteten Irrtum aufräumen:
Da steht nichts von Mitwirkung an der “Meinungsbildung” der Bevölkerung, auch wenn gerade Politiker das gerne mal verwechseln und auch häufig falsch zitieren.
Selbstverständlich sind die meisten Politikerinnen und Politiker in Deutschland in Parteien organisiert. Und selbstverständlich verbinden sie innerhalb einer Partei gewisse Werte und Vorstellungen, die Hintergrund für ihr politisches Handeln sind. Wer die von innerparteilichen Mehrheiten festgelegten Werte nicht mehr teilt, überlegt sich in der Regel von ganz allein, ob die Partei noch die richtige ist, wie wir gerade am Beispiel der AfD beobachten können.
Aber im Grundgesetz und im Parteiengesetz geht es um Willensbildung: Aufgabe der Parteien ist es, den politischen Willen des Volkes zu erfassen, zu kanalisieren, in den Parlamenten (und über die Parlamente in den Regierungen) abzubilden: Mittler zu sein in der repräsentativen Demokratie. Im Idealfall deckt das Parteienspektrum die Interessen der Bürger ab – am Ende entscheiden Mehrheiten bei Wahlen und bei Abstimmungen in den Parlamenten.
Ja, es muss den Parteien und ihren Vertretern auch darum gehen, komplexe politische Sachverhalte, die Begrenztzeit des Budgets und das Vorhandensein konkurrierender Interessen so aufzuarbeiten, dass möglichst jeder Bürger und damit jeder Akteur in der Demokratie sie verstehen kann. Dazu muss man als Politiker auch mal reden, informieren und erklären. Aber Aufgabe der Parteien ist es explizit nicht, propagandistisch auf die Meinungsbildung des Volkes einzuwirken (auch wenn Beeinflussung natürlich stattfindet, schon weil Kommunikation nie einseitig ist).
Wir Politikerinnen und Politiker sind gut beraten, wenn wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir – spätestens wenn wir ein Mandat haben, aber eigentlich schon bei Eintritt in eine Partei – in erster Linie Sprachrohr der Bürgerinnen und Bürger sein sollten und nicht Sprachrohr der Partei. Der Input aus der Bürgerschaft sollte das Handeln der Parteien beeinflussen, nicht umgekehrt.
Warum mich das gerade bewegt?
Ich bekomme als Stadträtin immer wieder und auch gerade ganz aktuell Einladungen zu Veranstaltungen, bei denen nicht die Bürger mit ihren Problemen oder mit ihren Ideen für unser Gemeinwesen im Mittelpunkt stehen, sondern die Politiker. Wo es darum geht, wofür ich mich engagiere und welche Ideen ich für Mannheim habe. Das ist vor Wahlen wichtig und sogar notwendig, wenn Bürgerinnen und Bürger, die nicht über das aktuelle politische Geschehen informiert sind, plötzlich entscheiden müssen, wem sie am ehesten zutrauen, ihre Interessen zu vertreten.
Außerhalb von Wahlkämpfen sollte man es sich als Politikerin oder Politiker aber auch mal leisten, bei der Ich-Vermarktung eine Pause einzulegen. Schade nur, dass viele eine entscheidende Fähigkeit vergessen oder gar verlernt haben: Einfach mal zuhören.
Ich werde die politische Sommerpause während der Schulferien nutzen, um gemeinsam mit einigen Parteifreundinnen und Parteifreunden “Sommergespräche” anzubieten – Gespräche ohne Anmeldung, ohne Regeln und ohne Agenda. Termine gibt’s in Kürze hier auf meiner Homepage oder unter https://www.facebook.com/RSchmittIllert