Der Beteiligungshaushalt der Stadt Mannheim
Mittel von 30.000,- Euro jährlich investiert die Stadt Mannheim auf Antrag der Grünen in einen Beteiligungshaushalt. Oder präziser: Beantragt war ursprünglich mal die direkte Verteilung von 200.000,- Euro jährlich durch die Bürgerinnen und Bürger – herausgekommen ist eine Vorschlagsplattform. Immerhin – es wurde eine Möglichkeit geschaffen, mit der Mannheimerinnen und Mannheimer ihre Vorschläge direkt einbringen können.
Die CDU hat den Beteiligungshaushalt im Gemeinderat abgelehnt und wurde dafür heftig kritisiert. Wir haben es im März damit sogar in eine Pressemitteilung der Mannheimer Grünen Fraktion geschafft. Für diesen “Beleg” unserer Ablehnung bin ich richtig dankbar, weil das “Bürgerinformationssystem” der Stadt Mannheim ja keine Auskunft über das genaue Abstimmungsverhalten im Gemeinderat gibt. Aber das wäre ein Thema für sich – das Gremieninformationssystem (mit dem Mitglieder des Gemeinderats arbeiten) bietet diese Informationen nämlich auch nicht.
Vor knapp zwei Wochen wurde der “Beteiligungshaushalt” der Stadt Mannheim gestartet – und wird hoch gelobt. Um es vorweg zu sagen: Ich hoffe inständig, dass das Geld nicht in den Sand gesetzt wird sondern sich tatsächlich Bürgerinnen und Bürger finden, die neue Vorschläge einbringen, um das Leben in unserer Stadt oder vor Ort in einem Stadtteil lebenswerter zu machen. Ich bin nur leider skeptisch, wenn ich die aktuelle Entwicklung beobachte.
Zum einen habe ich erhebliche Zweifel, dass der Beteiligungshaushalt tatsächlich eine Verbesserung gegenüber der eingespielten Praxis mit sich bringt.
Im Gegenteil – könnten nicht manche Mitglieder des Gemeinderats versucht sein, künftig Bürgerinnen und Bürger auf den Beteiligungshaushalt hinzuweisen anstatt sich ihrer Anliegen selbst anzunehmen? Das beobachte ich an mir selbst beim Behördentelefon 115: Ich bin bisweilen sehr versucht, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nicht selbst weiterzuleiten sondern sie einfach auf die 115 hinzuweisen. Ob das dann wirklich mehr Nähe zwischen Bürgerschaft und Gemeinderat schafft, die wir eigentlich dringend bräuchten, wage ich zu bezweifeln. Eine Arbeitserleichterung für Gemeinderat und Verwaltung ist der Beteiligungshaushalt allemal – aber um welchen Preis? Ich nehme Anregungen auch künftig lieber persönlich entgegen. Ich brauche dazu keinen Beteiligungshaushalt – als Stadträtin bin ich immer auch direkt erreichbar.
Zum anderen beobachte ich sehr genau, welche Vorschläge im Rahmen des Beteiligungshaushalts gemacht werden. Viel neues sehe ich nicht – und zwei Aspekte sind auffällig:
Viele der bisher eingegangenen Vorschläge wurden längst – teilweise mehrfach – in Form von Anträgen und Anfragen durch Fraktionen thematisiert, auch wenn das nicht automatisch bedeutet , dass die Verwaltung sie auch zu unserer Zufriedenheit beantwortet oder bearbeitet hätte. Teilweise sind die Themen den Mitgliedern des Gemeinderats selbst aufgefallen. Wir sind ja auch Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und laufen mit offenen Augen durch die Gegend. Teilweise waren es auch Reaktionen auf Hinweise aus dem Bezirksbeirat oder direkt aus der Bürgerschaft – und bei direkter Ansprache braucht man keine 100 Stimmen wie im Beteiligungshaushalt, bis ein Anliegen überhaupt bearbeitet wird, sondern muss im Zweifelsfall nur ein einziges Mitglied des Gemeinderats von seiner Idee überzeugen.
Aus meiner Sicht noch störender, wenn auch zahlenmäßig wenig relevant, sind die Vorschläge, die ich aus der Vergangenheit insbesondere von Anträgen mancher Gemeinderatsfraktionen zu den Etatberatungen kenne, und die vermutlich ohne Beteiligungshaushalt auch in diesem Herbst wieder so gestellt werden würden. Da geht es nicht wie in den allermeisten Vorschlägen um den Straßenverkehr, die Grünanlagen oder die Einführung einer Gelben Tonne (momentan Spitzenreiter mit 115 Unterstützern – und übrigens durch die FDP im Gemeinderat bereits beantragt) – sondern z.B. um die Bezuschussung einer Veranstaltung oder um die Verstetigung eines Projekts, das bisher nur für zwei Jahre finanziell abgesichert ist. Für diese Projekte werben dann Mitglieder des Gemeinderats ganz besonders intensiv über die Sozialen Netzwerke. Das ist theoretisch ihr gutes Recht – sie sind auch BürgerInnen dieser Stadt. Aber der Beteiligungshaushalt soll in erster Linie den BürgerInnen ohne Amt und Mandat mehr Einfluss ermöglichen – und nicht den PolitikerInnen die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen erleichtern. Oder etwa doch?
Ich werbe gerne und aus Überzeugung für mehr Bürgerbeteiligung- auch über den Beteiligungshaushalt. Aber ich werde selbst keine Vorschläge einbringen oder einzelne Vorschläge unterstützen – erst recht nicht über den Umweg von Freunden oder Verwandten. Auch nicht, um die Interessen meiner Fraktion in den Etatberatungen – durch nachweisbare Unterstützung im Beteiligungshaushalt – einfacher durchsetzen zu können. Das hätte mit Bürgerbeteiligung wie ich sie verstehe nicht mehr viel zu tun.
Ich würde mich freuen, wenn meine Skepsis am Ende unberechtigt ist und es tatsächlich neue Ideen gibt, auf die wir im Gemeinderat nicht gekommen wären. Noch bis zum 28. Juni können neue Vorschläge eingebracht werden, bis zum 19. Juli kann man die eingebrachten Vorschläge unterstützen.