In der vergangenen Woche habe ich eine Email erhalten, über die ich mich erst amüsiert und dann ziemlich geärgert habe. Geärgert habe ich mich, weil ich so eindeutig der falsche Adressat bin, dass man schon blind und taub sein muss, um es nicht zu merken. Der Absender? ALFA.
Eigentlich müsste mich der Generalsekretär des ALFA Landesverbands Baden-Württemberg ja wenigstens einigermaßen einschätzen können – immerhin sitzt er mit mir im Gemeinderat der Stadt Mannheim. Aber offenbar hat er sich noch nicht wirklich mit meinen politischen Positionen auseinandergesetzt, sonst hätte er mir nicht am vergangenen Donnerstag, 15. Oktober, gemeinsam mit seinem Landesvorsitzenden eine Email geschickt, in der er mich als gewählte Mandatsträgerin auffordert, aus meiner Partei auszutreten.
Gut, ich wurde schon häufiger gefragt, ob ich eigentlich in der richtigen Partei sei – meistens im Scherz und definitiv nicht mit diesen Argumenten:
Ich solle mich von der “kollektiven Verantwortung aller Mandatsträger der Regierungsparteien in Bund, Ländern und Gemeinden” (ich wusste gar nicht, dass die Gemeinden in Baden-Württemberg Regierungen haben…) “für den fortschreitenden Niedergang unseres Landes” distanzieren.
Ebenso von der “Selbstzerstörung” des demokratischen Deutschland, die ich als demokratisch gewählte Repräsentantin bisher entweder “aktiv fördern” oder “billigend” oder “furchtsam und gelähmt” in Kauf nehmen würde. Aha.
Weiter müsse ich ablehnen
- die Zerstörung des Systems der Stromversorgung (soweit ich es verstanden habe, ist damit die Energiewende gemeint?)
- den Euro (klar, bei dem Absender…)
- die “bewusst geförderte, unregulierte Einwanderung” (von freizügigen Europäern? Von Asylsuchenden, die sich auf das Grundgesetz berufen?)
- das Geburtendefizit (Soll ich mich noch weiter fortpflanzen?)
- und angebliche weitere Themen, bei denen die Verfasser des Briefes und ich “wahrscheinlich erstaunlich viel Übereinstimmung erzielen” würden.
Besonders spannend: ich sei mir “sicherlich” dessen bewusst, dass an allem nur Angela Merkel schuld sei.
Sehr geehrter Herr Kollege Stadtrat,
entweder Sie haben wahllos alle Mandatsträger der “etablierten Parteien” in Baden-Württemberg angeschrieben und gar nicht darauf geachtet, an wen Ihr Abwerbeschreiben sich richtet. Das riecht mir dann aber stark nach “Wir wollen Sammelbecken aller Unzufriedenen werden, egal welche Positionen sie bisher vertreten haben” und geht wieder in die gleiche Richtung wie Ihre Herkunfts-Partei, wenn auch mit (bisher) marginal weniger radikalen Sprüchen… Oder Sie haben mich ganz bewusst angeschrieben, haben aber offenbar überhaupt nicht verstanden, für welche Werte ich stehe und dass ich mich nicht mit populistischen Allgemeinplätzen abwerben lasse.
Um Ihnen deutlich auf Ihr Ansinnen zu antworten: Das einzige, was mich aus heutiger Sicht dazu veranlassen könnte, aus meiner Partei auszutreten, wäre der Sturz der Kanzlerin durch Parteimitglieder, die sich Ihre oder ähnliche diffuse Thesen zu eigen machen. Einer solchen Partei anzugehören würde dann bei mir tatsächlich zu “dauernden Selbstvorwürfen” führen, die ich mir aus Ihrer Sicht ja bereits heute machen sollte – allerdings mit entgegengesetzten Vorzeichen.
Auf das angebotene persönliche Gespräch verzichte ich dankend.
Mit irritierten Grüßen
Rebekka Schmitt-Illert